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Berner Solar-Initiative

11.12.2023

Braucht Bern eine «Solardachpflicht» bei Dachsanierungen? Der HEV hat sich in seiner Vernehmlassungsantwort klar gegen die Initiative und auch den untauglichen Gegenvorschlag ausgesprochen.

Kritische Vernehmlassung des HEVs zum Gegenvorschlag der Bau-, Energie-, Verkehrs- und Raumplanungskommission zur «Berner Solar-Initiative»

Worum geht es?
Am 17. November 2021 wurde von der Grünen Partei und der GLP die «Berner Solar-Initiative» eingereicht. Sie verlangt eine Solardachpflicht sowohl bei Neubauten als auch bei bestehenden Bauten soweit eine Dachsanierung ansteht bzw. ab dem Jahr 2040 gar ohne jeglichen baulichen «Auslöser». Zu diesem Zweck soll das Kantonale Energiegesetz (KEnG) erneut geändert werden. Der Regierungsrat stellte am 15. Dezember 2021 das Zustandekommen der Initiative fest und erarbeitete einen Gegenvorschlag zur Initiative. Der Gegenvorschlag übernimmt zentrale Anliegen der Initiative, geht jedoch in einzelnen Punkten leicht weniger weit. Am 3. Mai 2023 überwies der Regierungsrat die Initiative und seinen Gegenvorschlag zur Beratung an den Grossen Rat mit dem Antrag, die Initiative für gültig zu erklären, aber abzulehnen, und seinen Gegenvorschlag anzunehmen. Mit dem sogenannten «Energie-Mantelerlass», der vom Bundesparlament in der vergangenen Herbstsession 2023 verabschiedet wurde (derzeit läuft die Referendumsfrist), hat sich die Ausgangslage im Regelungsbereich der «Berner Solar-Initiative» leicht verändert. Angeblich aus diesem Grund hat die vorberatende Bau-, Energie-, Verkehrs- und Raumplanungskommission (BaK) des Grossen Rates einen eigenen Gegenvorschlag ausgearbeitet. Der Gegenvorschlag der BaK übernimmt in wesentlichen Teilen den Gegenvorschlag des Regierungsrates und geht teilweise punkto Eigentumseingriffe gar noch weiter.

Was wird konkret von der BaK vorgeschlagen?
Der Gegenvorschlag der BaK beinhaltet grundsätzlich drei Regelungsbereiche: Neubauten, Bestandesbauten und Parkierungsanlagen. Geeignete Dachflächen von neuen auf Dauer angelegten Bauten sollen möglichst vollständig mit Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen ausgestattet werden, wobei eine Solarenergienutzung an Fassaden angerechnet werden kann. Bei bestehenden Bauten soll dasselbe gelten, wenn die Dachflächen umfassend erneuert werden. Neue Fahrzeugabstellplätze für Personenwagen im Freien ab einer Fläche von 500 Quadratmetern sollen ebenfalls mit solaraktiven Überdachungen ausgestattet werden. Bei bestehenden Fahrzeugabstellplätzen im Freien soll diese Vorgabe im Sinne einer Sanierungspflicht ab einer Fläche von 1000 Quadratmetern und zwar innert 15 Jahren erfüllt werden. Ausnahmen von diesen Bestimmungen werden nur dann gewährt, wenn eine technische Unmöglichkeit vorliegt oder das Projekt wirtschaftlich unverhältnismässig wäre (was immer das auch heissen mag).

Kein Handlungbedarf!
Der HEV lehnt neue Bestimmungen in diesem Bereich ab. Aus seiner Sicht besteht kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Weder der Regierungsrat noch der Grosse Rat würden heute nämlich eine Gesetzesrevision anstossen, wenn nicht zufolge der Initiative der Grünen und der GLP das Thema auf den Tisch gekommen wäre. Die letzte Revisionsvorlage des KEnGs ist ja erst vor Kurzem, nämlich am 1. Januar 2023, in Kraft getreten! Damit besteht auch im Kanton Bern ein zeitgemässes Energiegesetz. Der Grundsatz der Rechtsbeständigkeit, welcher Ausdruck eines verlässlichen Gemeinwesen gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft darstellt, gebietet es vielmehr, nicht innert derart kurzer Frist erneut die Regeln zu ändern. Dies umso weniger, als das neue KEnG inhaltlich vollends genügt, indem es verlangt, dass neue Gebäude und Erweiterungen von bestehenden Gebäuden so gebaut und ausgerüstet werden müssen, dass die gewichtete Gesamtenergieeffizienz (gGEE) für Heizung, Warmwasser, Lüftung, Klimatisierung, Beleuchtung, Geräte und Gebäudetechnik abzüglich Eigen­energieproduktion «möglichst nahe bei null» ist (was kaum ohne die Nutzung von Solarenergie möglich ist), und dass bei bestehenden Gebäuden aus Anlass des Ersatz des Heizungs­systems (bzw. sogar des Brenners) eine der sogenannten Standardlösungen zum Tragen kommen muss. Auch der nun beschlossene Mantelerlass auf Bundesebene verlangt kein zusätzliches Handeln des Kantons, weil dessen Art. 45a EnG betr. Solardachpflicht bei Neubauten ab 300 m² anrechenbarer Gebäudefläche bloss eine Verlängerung des bestehen Dringlichkeitsrechts (EnG 2022) ist, welches der Kanton Bern mit Art. 31a KEnV bereits anwendet.

Der Regierungsrat hatte seinen Gegenvorschlag bloss deshalb präsentiert, weil er die Annahme der Solarinitiative durch das Volk befürchtete. Diese Befürchtung teilt der HEV nicht, weil die Initiative mit ihrem Art. 39 Bst. c Abs. 2, welcher verlangt, dass bestehende Bauten und Anlagen bis spätestens am 1. Januar 2040 auch ohne irgendwelchen Auslöser mit Solaranlagen zu versehen sind, extrem weit geht und nota bene mit der Eigentumsgarantie schlicht nicht vereinbar ist.

Hauseigentümer würden als Kraftwerksbetreiber
missbraucht

Es sprechen allerdings nicht nur staatpolitische und grundrechtliche Argumente gegen ein erneutes Eingreifen des Gesetz­gebers. Auch rein praktisch erweist sich das Vorhaben als nicht zielführend. Eine «Solar-Anbauschlacht» im Flachland bzw. die Hauseigentümer über ihren Eigenverbrauch hinhaus als Kraftwerksbetreiber für die Allgemeinheit zu missbrauchen, rechtfertigt sich mit Blick auf den Bedarf vorab nach Winterstrom nicht. Ausserdem ist schon heute klar, dass die Strom-Netzbetreiber gar nicht in der Lage wären, innert Frist eine grosse zusätzliche Menge von neuen PV-Anlagen ans Netz anzuschliessen. Auch der bestehende Fachkräftemangel und nicht zuletzt die beschränkten Investitionsmöglichkeiten der Hauseigentümer sowie entgegenstehende Bauvorschriften auf Gemeindeebene dürften limitierend wirken. Bei einer genauen Betrachtung ergeben sich dann noch zusätzliche Fragen, auf welche vorliegend nur summarisch eingegangen werden kann. So bleibt beispielweise unklar, welche Dächer genau als «geeignet» gelten und damit betroffen sind, was «möglichst vollständig» heisst und wie eine mangelnde Wirtschaftlichkeit als Begründung für Ausnahmen berechnet wird. Der guten Ordnung halber sei an dieser Stelle ebenfalls erwähnt, dass die Erstellung von Solaranlagen bereits heute und wohl auch in Zukunft in grossem Ausmass erfolgt, ohne dass es derart rigide Gesetzesvorschriften braucht. Sowohl die Industriebetriebe als auch die Hauseigentümer sorgen dafür, dass die jährliche Solarstromproduktion kontinuierlich stark steigt. In­­sbesondere in den letzten Jahren kann man von einem eigent­lichen Solarboom sprechen. Schon nur die Bernischen Kraftwerke schliessen heute 22 PV-Anlagen pro Tag an ihr Netz an. Im Referenzjahr 2022 beträgt die Produktion schweizweit 3858 GWh (vgl. die nachstehende «Statistik Sonnenenergie» vom 13.7.2023 des Bundesamtes für Energie).

Affaire à suivre

Adrian Haas | Vizepräsident HEV Kanton Bern